Warum parteilosen Direktkandidaten wählen?

Warum einen parteilosen Direktkandidaten wählen?

Gewinnt ein Parteikandidat die Direktwahl (Erststimme), dürfen sich alle die nicht für ihn und damit seine Partei gestimmt haben getrost als Verlierer dieser Direktwahl betrachten. Denn es gibt nur einen Gewinner der Erststimmen-, also Direktwahl, derjenige, der die meisten Stimmen erhalten hat. Gewinne ich diese Wahl hat niemand verloren und alle gewonnen. Jeder kann dann in der kommenden Legislaturperiode über mich versuchen seine Meinung geltend zu machen. Er muss nicht mich, sondern die Mehrheit seiner Mitmenschen bzw. Mitwahlberechtigten im Wahlkreis überzeugen. Dies fördert den gesellschaftlichen Austausch und dadurch den Gemeinsinn, eine generelle Folge der Mitbestimmung. Lobbyisten haben dabei keine Chance Partikularinteressen gegen eine Bürgermehrheit durchzusetzen.

Die Erststimme ist ein Stück direkte Demokratie,  weil sie die einzige Möglichkeit darstellt etwas anderes als die von den üblichen Parteien aufgestellten Kandidaten zu wählen, auch wenn die Liste der Erststimmenkandidaten auf  dem Stimmzettel (links) gewöhnlich zum  größten Teil ebenfalls aus von den Parteien aufgestellten Kandidaten besteht.

Leider werden jedoch auch die Direktmandate praktisch immer von Parteikandidaten besetzt, eine simple Gewohnheit – liegt also eigentlich in der Hand und Verantwortung der Wähler – , die ich aufzubrechen versuche. So entfällt das im Grunde bereits auch im Wahlgesetz schon angelegte Element direkter Demokratie und wird eigentlich seit Bestehen der Republik komplett durch die repräsentative Parteiendemokratie ersetzt, weil sich eben die Parteien mit Hilfe der Wähler regelmäßig auch die Direktmandate sichern. Ironischerweise halten sich dann einige Parteien für fortschrittlich, wenn sie mehr direkte Demokratie in ihren Programmen propagieren. Auf dieses großzügige Angebot der Parteien sind die Bürger aber gar nicht angewiesen, wenn sie die Möglichkeit, die schon immer da ist, aber durch konsequente Nichtnutzung nur brach liegt, einfach nutzen. Diese Gelegenheit biete ich dem Wahlkreis 19.

Ich habe mich von dem Gedanken verabschiedet, dass ein Einzelbewerber überhaupt sinnvoll mit einem eigenen Programm antreten kann oder sollte. Dafür haben wir ja die Parteien, bzw. das Konzept der repräsentativen Demokratie, wo verschiedene Menschen ihr Wissen und ihre Erfahrungen bündeln. Ein Einzelner kann ja auch niemals für alle Aspekte der Politik ein komplettes Wahlprogramm liefern. Ein solches Universalgenie wird es in unserer heutigen komplexen Welt nicht mehr geben. Insofern machen Parteien Sinn, aber sie sollten nicht die einzigen politischen Akteure sein. Insbesondere sollten sie auch zeitnahe direkte Rückmeldung der Menschen über ihre angedachten Problemlösungen erhalten. Wie überall im Leben macht es die gesunde Mischung, hier zwischen repräsentativen und direkten Elementen der Demokratie. Davon sind wir weit entfernt.

Was aber ein Einzelner durchaus besser kann als jede Partei, ist ein solch einfaches Konzept wie den Mehrheitswillen bei einer Abstimmung zu repräsentieren, einfach umzusetzen. Er muss keine Gedanken daran verschwenden, ob dies mit irgendeinem Parteiprogramm zusammen passt. Er braucht mit niemanden langwierig diskutieren wie das umzusetzen ist. Er macht es einfach. Würde das eine Partei oder irgendein Gremium mehrerer Personen versuchen, käme Altbekanntes dabei heraus: Unnötige Diskussionen über Für und Wider und Wie. Einer wüsste es besser als der andere. Hierarchiestreben um innerhalb der Gruppe die eigene Meinung durchzusetzen und Machtkämpfe. Ja sogar Unterwanderungen einer Partei oder Gruppe mit Akteuren die ihren Zielen eigentlich entgegen arbeiten sind denkbar. All das entfällt bei einer einzelnen Person, die schlicht ihr einfaches Wahlversprechen einhält den Willen der Mehrheit durch Abstimmung herauszufinden, und so wie sie sich ergeben hat abzustimmen.

Langfristige Perspektive

Nach § 40 der Geschäftsordnung des Landtages Brandenburg können Gesetzentwürfe, Anträge und Entschließungsanträge von Mitgliedern des Landtages, also auch einem einzelnen parteilosen Abgeordneten eingebracht werden. Insofern erhalten meine Wähler nicht nur die Gelegenheit passiv über Anträge Anderer abzustimmen, sondern auch aktiv welche einzubringen. Natürlich müssten solche Anträge eine gewisse Anzahl von Unterstützern des Wahlkreises finden.

Indirekter Hebel auf alle Parteien

Wenn aktiv Gesetzesinitiativen und Anträge in Ihrem Sinne von diversen Parteien zur Abstimmung gebracht werden sollen, können Sie einfach Folgendes tun: Sie können Sie sich an die Direktkandidaten der verschiedenen Parteien im Wahlkreis 19 wenden. Wenn diese gerade eine Direktkandidatur gegen mich verloren haben, denke ich werden diese für Ihr Anliegen ein offeneres Ohr haben. So können Sie auch eruieren welche Parteidirektkandidaten Ihrem Anliegen eher nachkommen würde. Vielleicht unter dem Eindruck einer unerwarteten Wahlniederlage dann sogar alle, und Sie haben die Qual der Wahl. Vielleicht finden Sie dann eine neue Lieblingspartei oder verlieren einfach nur die alte. Wer weiß? Die parteilose Konkurrenz würde das politische Geschäft jedenfalls erheblich beleben. Dann können ja diese Parteidirektkandidaten als Mitglieder ihrer Parteien, ihre jeweiligen Fraktionen im Landtag zu überzeugen versuchen, entsprechende Vorlagen zur Abstimmung zu bringen. Auf diese Weise wäre in der kommenden Legislaturperiode für meine Wähler indirekt eine direktdemokratische aktive Einflussnahme möglich. Ein seriöses Gegenargument sich für Sie einzusetzen, z.B. dass Sie sie nicht gewählt haben, haben die Parteidirektkandidaten eigentlich nicht. Erstens können Sie nicht wissen, ob Sie sie gewählt haben. Zweitens wäre es recht ungeschickt sich brüskiert zu geben, denn die Direktkandidaten möchten ja vielleicht bei der nächsten Wahl wieder Ihre Stimme gewinnen. Drittens widerspräche es dem Anspruch der repräsentativen Parteiendemokratie. Danach muss ein Parteimitglied ja nicht höchstpersönlich selbst im Landtag sitzen, um auf die Mandatsträger seiner Partei im Landtag Einfluss zu nehmen. Der Anspruch der Parteikandidaten ist ja der, dass sie eine breite Basis ihrer Parteimitglieder repräsentieren. Der im Landtag sitzende Parteikandidat ist sozusagen nur die Spitze des Mitglieder-Eisberges.

Wählen Sie stattdessen aus alter Gewohnheit einen Parteikandidaten für das Direktmandat geschieht Folgendes: Die von den Parteien aufgestellten Kandidaten fühlen sich größtenteils nur eingeschränkt den Wählern im Wahlkreis verpflichtet. Oder hat Sie ein Direktkandidat einer Partei nach der Wahl schon jemals ernsthaft nach Ihrer Meinung gefragt? Verpflichtet fühlen sie sich viel mehr der Partei, welche sie aufgestellt hat und deren Programm. Schließlich entscheidet ja auch die Partei und nicht die Bürger des Wahlkreises, ob sie bei der nächsten Wahl nochmal als Kandidat für die Partei aufgestellt werden. Sind Sie eigentlich Fan einer anderen Partei oder tendieren in eine andere Richtung als der gewählte Parteikandidat haben Sie keine Chance Ihre Anliegen, die nicht in das Programm seiner Partei passen, die nächsten fünf Jahre über ihn einzubringen. Dabei wählt man mit einem Parteikandidaten immer das Programm der jeweiligen Partei als ein Gesamtpaket,  das auch Positionen enthalten kann, denen man vielleicht nicht zustimmen würde (sogenanntes Ostrogorski-Paradox; ist bei einem parteilosen Direktkandidaten mit meinem Repräsentationskonzept, nämlich schlicht den Willen der Mehrheit abzubilden unmöglich).

Parteien vertreten nicht das Volk. Sie vertreten ihr Programm!
Meist nicht einmal das.

Was machen Sie, wenn eine Partei, mit der Sie sonst nichts anfangen können in einem für Sie wichtigen Punkt Ihre Position vertritt? Kaufen Sie die Kuh für ein Glas Milch? Oder die bevorzugte Partei vertritt in einem für Sie wichtigem Thema eine völlig andere Position als Sie. Verzichten Sie dann zu Gunsten der Parteimeinung auf ihre persönliche Meinung zum Thema?

Der oben vielleicht ketzerisch wirkende Einwurf, dass Parteien nach der Wahl nicht einmal ihr Programm vertreten soll gar keinen Vorwurf hinsichtlich möglicherweise gebrochener Wahlversprechen darstellen. Es ist schlicht auch so, dass eine Partei, sollte sie nicht mehr als 50% der Sitze im Parlament bei einer Wahl erringen, zum Regieren notwendigerweise eine Koalition und entsprechend Kompromisse eingehen muss. (Die Vorstellung einer Minderheitsregierung, die sich für ihre Vorhaben ihre Parlamentsmehrheiten  durch gute Argumente erarbeiten muss, ist, obwohl eigentlich an sich weit demokratischer, hierzulande eher fremd, und den Parteien wohl auch zu anstrengend.) Und vielleicht sind dann gerade die ausschlaggebenden Punkte, weswegen Sie die Partei gewählt haben, Teil der Koalitionsverhandlungsmasse die von der Partei zu Gunsten der Koalition aufgegeben werden.

Wäre es da nicht besser, Sie könnten ohne Parteizwang Ihre Meinung geltend machen?

Ich löse alle erdenklichen auftauchenden politischen Fragestellungen nach dem Prinzip der direkten Demokratie. Die Mehrheit der Wähler des Wahlkreises soll entscheiden, wie ich dabei als ihr Direktkandidat abzustimmen habe: Ja, Nein oder Enthaltung. Jegliche Einschränkung durch ein Parteiprogramm wäre hinfällig.  Damit würde ich das sogenannte Prinzipal-Agent-Problem minimieren. Die wesentliche Aufgabe als gewählter Repräsentant bestünde darin, den Willen der Mehrheit der Wähler möglichst zuverlässig und genau zu ermitteln. Repräsentieren kann so einfach sein. Es muss nur mal jemand angehen.

Vermeidung der sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandate

Gewinnen die Direktkandidaten einer Partei über die Erststimme mehr Mandate, als ihrer Partei prozentual nach den gewonnenen Zweitstimmen zusteht, entstehen die sogenannten Überhangmandate. Um aber die prozentuale Verteilung der Zweitstimmen bei zu behalten, werden andererseits sogenannte Ausgleichsmandate bei den anderen Parteien geschaffen. Damit steigt die die Anzahl de Abgeordneten über das reguläre Soll von 88 bis auf maximal 110 hinaus. Je größer der Landtag, desto größer die Kosten für die Steuerzahler. Überhangmandate kosten eben entsprechend mehr.

Nun kann bei der Wahl eines parteilosen Direktkandidaten niemals ein Überhangmandat für eine Partei oder Ausgleichsmandate bei anderen Parteien entstehen.  Die Wahl parteiloser Kandidaten mit der Erststimme hilft also die Zahl der Abgeordneten auf ihr reguläres Minimum und damit die Kosten für den Steuerzahler zu begrenzen.

Was ist Ihr Programm?

Auf die Gefahr hin, dass ich mich an dieser Stelle wiederhole: Ich habe kein Programm und verfolge keine Agenda außer der schlichten Repräsentation des Mehrheitswillens bei den jeweiligen Abstimmungen im Parlament. Es gibt genügend Parteiprogramme zur Auswahl, denen man über die Zweitstimme den Vorzug geben kann. Ich sehe keinen Sinn darin als mit der Erststimme wählbarer Einzelbewerber noch das x-te Programm oder die x-te Nuance oder irgendeine Mischung aus bereits vorhandenen hinzuzufügen. Ich halte es für wichtiger, dass die Menschen über die von den verschiedenen Parteien oder ihnen selbst eingebrachten Anträge auch während der Legislaturperiode mit abstimmen können. Demokratie kann meiner Auffassung nicht davon leben, dass die Mitbestimmung sich auf den Einwurf eines Stimmzettels in die Wahlurne alle paar Jahre beschränkt und man in der Zwischenzeit nur passiv zuschauen oder ertragen kann, was dort beantragt und beschlossen wird, ohne auch nur eine Rückmeldung geben zu können, was man davon hält.

Wer statt eigener aktiver fallbezogener Mitbestimmung sich gerne ein umfangreiches pauschales Programm Dritter aussuchen möchte im Vertrauen darauf, dass diese in den kommenden paar Jahren auch ohne sein Zutun alles zu seiner Zufriedenheit erledigen, kann dies ja nach wie vor und wie bisher bei den verschiedenen Parteien tun. Sie bieten ihre Lösungsvorschläge für die großen Probleme der Zeit und die Zukunftsbewältigung in Programme gegossen an. Davon kann man sich die einem persönlich am geeignetsten erscheinende Partei über die Zweitstimme aussuchen (muss es aber auch nicht). Letztendlich wird die Zusammensetzung der Parteien im Landtag und deren Programme und Agenden auch über das Spektrum der zur Abstimmung kommenden Anträge entscheiden. Oder auch der Einsatz des oben beschriebenen indirekten Hebels über mich.

Aus diesen Programmen ergeben sich vermutlich die meisten Anträge zu Gesetzen über die im Landtag abzustimmen ist. Sie können zu jedem einzelnen davon kundtun, wie Sie darüber abstimmen würden. Denn ich bin ja IHR Direktkandidat liebe Wähler des Wahlkreises 19 und gehöre Ihnen gewissermaßen, nicht irgendwelchen Lobbyisten oder Parteikadern, sollte ich gewählt werden.
Für dieses Versprechen stehe ich voll ein, und kann mich nicht wie ein Parteikandidat mit irgendwelchen Partei- oder Koalitionszwängen heraus reden.

Statt über Parteien klagen – bei der Wahl handeln!

Mit der Erststimme haben Sie die einzige Chance etwas anderes als parteiprogrammgebundene Kandidaten, die dann lediglich als Stimmenbringer ihrer Partei im Parlament fungieren,  zu wählen. Wer also den Wunsch hegt, bei Entscheidungen im Parlament direkt nach seiner Meinung dazu ohne Parteibrille und Ideologie gefragt zu werden, kann eigentlich nur meine Wenigkeit wählen. Dann haben Sie bereits direkte Demokratie und müssen nicht darauf warten, bis die Parteien so gnädig sind von selbst einen Teil ihrer Macht zugunsten von direkter Demokratie abzugeben.

Parteien vertreten nicht das Volk. Sie vertreten ihr Programm!
Und meist nicht einmal das.

Ich höre oft eine Stimme für einen Einzelkandidaten wäre verschenkt, aber: Wenn Sie nicht zufällig den einzigen Sieger der Direktwahl im Wahlkreis wählen, ist ihre Erststimme nach dieser Betrachtung für alle anderen Parteikandidaten auch verschenkt gewesen. Stimmen für Direktkandidaten von Parteien, die voraussichtlich ohnehin nicht zu den Favoriten auf den Sieg gehören sind demnach auch verschenkt beziehungsweise dort nutzlos geparkt, weil man sonst nicht weiß wohin damit. Sie kommen dann nicht zum Tragen. Sie nutzen eher dem Favoriten der Parteikandidaten. Sie haben dann nicht einmal eine besondere Botschaft, etwa  dem Sieger zu zeigen, wie viele Wähler nicht für das Programm seiner Partei waren. Denn das sieht man ja bei Parteikandidaten bereits am Zweitstimmenanteil für oder gegen die Partei. Dagegen trägt die Erststimme für mich auch ohne Wahlsieg immer eine eigene Botschaft an alle Parteien, wie viele Menschen für direkte Demokratie und Mitbestimmung sind.

Wenn jeder seine Erststimme dem Parteikandidaten gibt,  dessen Partei er mit der Zweitstimme wählt, gewinnt ohnehin der Parteikandidat, dessen Partei nach den Umfragen weit vor allen anderen liegt. Es sei denn alle anderen Nichtwähler dieser Partei könnten sich darauf einigen ihre Erststimme gebündelt einem anderen Direktkandidaten zu geben. Dieses Prinzip gilt an sich immer, solange der mutmaßliche Gewinner nicht mit über 50% der Stimmen rechnen kann, unabhängig davon, wer die Umfragen anführt (War im Wahlkreis 19 noch nie der Fall. So gesehen hat die Mehrheit der Wähler die bisherigen Sieger eigentlich nicht gewählt). Nun werden die bei der Wahl miteinander konkurrierenden Parteien kaum den Direktkandidaten einer anderen Partei zum Wählen empfehlen, sonst bräuchten sie in erster Linie auch gar nicht als konkurrierende Parteien antreten. Wer wäre da als unabgesprochener Konsenskandidat besser geeignet als ein unabhängiger parteiloser Direktkandidat, der ein Konzept anbietet, gegen das kein Demokrat im Grunde etwas haben kann, also meine Wenigkeit?

Gewinnt ein Parteikandidat die Direktwahl, dürfen sich alle die nicht für ihn und damit seine Partei gestimmt haben getrost als Verlierer dieser Direktwahl betrachten. Gewinne ich diese Wahl hat niemand verloren und alle gewonnen. Jeder kann dann in der kommenden Legislaturperiode über mich seine Meinung laufend ein- und zur Geltung bringen.

Insbesondere die vielen NichtwählerSteuern müssen diese trotzdem zahlen, auch wenn sie die Möglichkeit zum Mitbestimmen über deren Verwendung nicht wahrnehmen wollen. Und auch unter der Wirkung dessen was im Landtag beschlossen wird lebt man zwangsläufig, auch wenn man nicht wenigstens versucht über dessen Zusammensetzung mit zu bestimmen – die damit offenbar ihren Protest gegen die Parteien zum Ausdruck bringen wollen, würden den Parteien ein erheblich beeindruckenderes Signal geben, wenn sie anstatt einfach nicht zu wählen, mit ihrer Erststimme einen parteilosen Kandidaten wählen, der damit alle Parteikandidaten schlagen könnte (die Zweitstimme müssten sie ja nicht abgeben). Nicht wählen hilft lediglich dem gehandelten Favoriten der Parteikandidaten auf den Sieg bei den Erststimmen. Im Grunde ist es wie eine Wahl für diesen.

In der Spalte der Zweitstimmen kann man unbeschadet der Erststimme für mich immer noch seine Lieblingspartei wählen, sofern man mag (man muss nicht mal eine Partei wählen, das heißt seine Zweitstimme abgeben; die Erststimme allein ist trotzdem gültig). Sie ist maßgeblich für die prozentuale Sitzverteilung der Parteien im Parlament. Also für die Parteien ohnehin die wichtigere Stimme.

Gründe auch für Mitglieder von Parteien mich statt Ihren Direktkandidaten zu wählen

Wenn jeder seine Erststimme dem Parteikandidaten gibt,  dessen Partei er mit der Zweitstimme wählt, gewinnt ohnehin der Parteikandidat, dessen Partei nach den Umfragen weit vor allen anderen liegt. Wer als Anhänger einer Partei, deren Direktkandidat ohnehin wenig Chancen auf den Wahlsieg hat, sklavisch seine Erststimme seinem Parteikandidaten gibt, verhilft als Steigbügelhalter dem Favoriten der Parteikandidaten auf den Sieg der Direktwahl der anderen Partei nur fester in den Sattel. Es sei denn alle anderen Nichtwähler dieser Partei könnten sich darauf einigen ihre Erststimme gebündelt einem anderen Direktkandidaten zu geben. Dieses Prinzip gilt an sich immer, solange der mutmaßliche Gewinner nicht mit über 50% der Stimmen rechnen kann, unabhängig davon, wer die Umfragen anführt (War im Wahlkreis 19 noch nie der Fall. So gesehen hat die Mehrheit der Wähler die bisherigen Sieger eigentlich nicht gewählt). Nun würde man aber kaum den Kandidaten einer anderen Partei als Konsenskandidat küren,  zumal man ja auch beanspruchen könnte, dass der eigene Parteikandidat besagter Konsenskandidat sein soll. Schließlich neigt man allgemein einer Partei nicht zu, um den Direktkandidaten einer anderen Partei zu wählen. Wer wäre da als unabgesprochener Konsenskandidat besser geeignet als ein unabhängiger parteiloser Direktkandidat, der ein Konzept anbietet, gegen das kein Demokrat im Grunde etwas haben kann, also meine Wenigkeit? Wenn die eigene präferierte Partei aller Wahrscheinlichkeit nach voraussichtlich das Direktmandat ohnehin nicht gewinnen wird, und alle Wähler solcher Parteien mir die Stimme gäben, würden die gebündelten Stimmen ohne weiteres den gehandelten Favoriten der Parteikandidaten schlagen. Die voraussichtliche Siegerpartei bei den Zweitstimmen hätte dann zumindest einen direkt gewählten Abgeordneten weniger.

Letztendlich ist die Erststimme für mich auch für Mitglieder der politischen Parteien jeder Couleur die einzige Möglichkeit ein Signal bezüglich direkter Demokratie zu setzen, damit diesbezüglich eine innerparteiliche Diskussion vorangeht. Viele Parteien rühmen sich seit langem, für mehr Mitbestimmung zu sein. Was ist davon seither geschehen? Man spricht in den verschiedenen Parteien gerne von „mehr“ Mitbestimmung, wirft das den Wählern wie ein kleines Bonbon hin, denkt sich allerlei Hürden aus, aber behält sich letztendlich die wichtigen Entscheidungen ohne Mitsprache der Bürger zwischen den Wahlen vor.

Eine Erststimme  weniger ist kein großer Schaden für Ihre Partei – zumal, wenn sie ohnehin wenig Aussicht hat, das Direktmandat zu gewinnen – deren Sitzanteil im Parlament sich ja wesentlich nach der Zweitstimme bemisst, aber ein großer Gewinn für die direkte Demokratie.

Ostrogorski-Paradox

Das unten erklärte Ostrogorski-Paradox kann im übrigen bei einem parteilosen Direktkandidaten, der schlicht den Mehrheitswillen bei Abstimmungen abbildet nicht auftreten.

Nach dem deutschen Wahlsystem wählt man über die für die Zusammensetzung der Parlamente maßgebliche Zweitstimme eine Partei, und damit deren Programm als Gesamtpaket. Dieses Gesamtpaket beinhaltet zumeist auch Positionen, welche der Wähler ablehnt (zum Teil soweit, dass man sich für die Wahl des geringeren Übels entscheidet). Es kann aufgrund des von Rae und Dandt beschriebenen Ostrogorski-Paradox sodann zu Abweichungen vom Wählerwillen kommen. Das Ostrogorski-Paradox besagt, dass durch die Anwendung der Mehrheitsregel Minderheitspositionen die Mehrheit erlangen können. Eine Partei, die 51% der Wählerstimmen gewinnen will braucht keine 100%-ige Übereinstimmung mit den 51% ihrer Wähler. Es reicht eine größere Übereinstimmung als bei den übrigen Parteien. So können dann auch politische Mehrheiten mit politischen Minderheitsmeinungen erzielt werden. [Christoph Conrad Henke: Direkte Demokratie auf Bundesebene, ISBN: 978-3-643-11482-2]

Prinzipal-Agent-Probleme und Legitimationsketten

Die Wähler (Prinizpal) können ihre gewählten politischen Repräsentanten (Agent) nicht komplett an ihre Interessen binden und kontrollieren (weil ja schon das Parteiprogramm welches sie vertreten nicht komplett den Interessen entsprechen muss). Es kann so zu politischen Entscheidungen kommen, die nicht im Interesse der Wähler liegen. Es gibt keine Gewähr, dass die Entscheidungen dem Gemeinwohl, oder dem was die Mehrheit der Wähler für das Gemeinwohl hält, entsprechen. Dieses Problem wird noch verschärft durch hierzulande, im Vergleich zu anderen Ländern,  langen Legitimationsketten: In einer ersten Stufe wählen die Wähler über die Zweitstimme eine Partei ins Parlament (Bund oder Länder). Die Parteien bestimmen wiederum in der zweiten Stufe, welche Abgeordneten sichere Listenplätze erhalten und in sicheren Wahlkreisen antreten. Die Abgeordneten wählen dann in einer dritten Stufe den Bundeskanzler auf Bundes- beziehungsweise die Ministerpräsidenten auf Landesebene, welche dann in einer vierten Stufe die Bundes- oder Landesminister und damit die Bundes- oder Landesregierung ernennen, welche die meisten Gesetzesentwürfe ausarbeiten. Mit jeder Stufe der Legitimationskette verschärft sich die Prinzipal-Agent-Problematik, wird der Abstand zum ursprünglichen Wählerinteresse größer. [Christoph Conrad Henke: Direkte Demokratie auf Bundesebene, ISBN: 978-3-643-11482-2]